Virtuelle Forschungsumgebungen, Diskos, Voynich

Was Virtuelle Forschungsumgebungen leisten können (WORK IN PROGRESS)

Virtuelle Forschungsumgebungen ermöglichen ein kollaboratives Arbeiten von Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen. So können zur Entschlüsselung historischer Gegenstände Linguisten, Kryptologen, Botaniker, Archäologen ect. ihr Wissen bündeln und Beiträge leisten. Gerade bearbeitete oder interessante Inhalte können sofort mit der Fachcommunity geteilt werden. Kommentare, Markierungen und Verlinkungen ermöglichen dabei einen schnellen Austausch. Durch spezifische Rechteverwaltungen können Inhalte und Ergebnisse gezielt anderen Forschern zugänglich gemacht werden. Im TextGrid Laboratory etwa kann nach anderen Benutzern gesucht und diesen Rechte zugewiesen werden. Zur Auswahl stehen ProjectManager, Authority to delete, Editor und Observer.

Bild: VM_TextGrid_Benutzerverwaltung
Beschreibung: Screenshot zur Benutzerverwaltung im TextGridLab

Gemeinsam lässt sich eine umfangreiche Bibliographie erstellen, welche Forschungsansätze der unterschiedlichen Fachdisziplinen vereint. Der in der Computerlinguistik schon länger etablierte direkte Austausch von Forschungsergebnissen in Form von Open Access Publikationen wird durch Virtuelle Forschungsumgebungen noch erleichtert. Durch Open Peer-Review, einem zur Beteiligung geöffneten Bewertungsverfahren, können Publikationen direkt in aktuelle Diskussionen eingebunden werden. Virtuelle Forschungsumgebungen fungieren als Sammelbecken für relevante Daten und Informationen. Sie bieten daher eine Übersicht über schon geleistete Arbeit und aktuelle Forschungsprojekte. Dopplung von Arbeit kann dadurch einfacher vermieden werden. Methoden der Digital Humanities, wie die Nutzung von digitaler Bildanalyse und image processing (siehe Kohle 2013: 63-96) können direkt in Virtuelle Forschungsumgebungen eingebunden werden. Transkriptionstools, wie sie etwa im TextGrid Laboratory in Form des Text-Bild-Link-Editors zur Verfügung stehen, können bei einem gemeinschaftlichen Transkribieren und Überführen in maschinenlesbaren Code helfen, welcher zur Nutzung computerlinguistischer Ansätzen und Methoden wie text mining, natural language processing, topic modelling oder machine learning notwendig ist (zu Ansätzen vgl. Reedy 2011).

Bild: VM_TextGrid_Text-Bild-Link-Editor
Beschreibung: Screenshot des Voynich-Manuskripts im Text-Bild-Link-Editor des TextGridLab. Hier lassen sich optisch Elemente markieren und mit einer XML-Datei verknüpfen.

Das Voynich-Manuskript birgt hierfür noch einige Möglichkeiten: „it has much to benefit from attention by a community with the right tools and knowledge of linguistics, text analysis, and machine learning“ (Reddy 2011: 1). Crowd sourcing ist ebenfalls ein interessanter Ansatz für die Entschlüsselung von Gegenständen. Das Wissen der Masse kann für Mustererkennungen oder im Falle des Voynich-Manuskripts auch für Bild-Assoziationen genutzt werden.
Teilergebnisse oder aktuelle Diskussionen können in andere Publikationsformen schnell überführt werden. So kann ein aktuelles Problem oder ein neuer Ansatz getwittert oder in einen blog zu weiterer öffentlicher Diskussion gestellt werden. Die gemeinsame Nutzung von Hardware Ressourcen und Software-Tools ermöglicht es allen Wissenschaftlern, adäquate digitale Analysen vorzunehmen. Darüber hinaus können Forschungsansätze besser nachvollzogen oder sogar nachgespielt werden.

Digitale Tools zur Entschlüsselung

Ein Ansatz zur Entschlüsselung des Voynich-Manuskripts ist der Versuch, über die Abbildungen den Inhalt zu erschließen. Eine Möglichkeit die zahlreichen Bilder zu beschreiben, Details präzise zu markieren und miteinander zu verlinken bietet etwa HyperImage (http://uni-lueneburg.de/hyperimage/hyperimage/index.htm). Ähnlich wie bei Text lassen sich dadurch Bilder miteinander in Bezug stellen. Eingebunden in eine Virtuelle Forschungsumgebung können damit gemeinsam zum Beispiel die Pflanzenabbildungen beschrieben und verglichen werden und mit Abbildungen aus anderen Quellen verglichen werden. Durch Verlinkungen und Annotationen von Bilddetails lassen sich auch Details der gestempelten Symbole des Diskos mit datierbaren ähnlichen Abdrücken vergleichen.

Video: HyperImage - Verlinken auf ein Bilddetail
Quelle: http://uni-lueneburg.de/hyperimage/hyperimage/sites_filme/05.htm [06.09.2015]
Beschreibung: Video zur Demonstration von Bildverlinkungen mit HyperImage

(Alte) Manuskripte, ob verschlüsselt oder nicht, weisen oft verwischte, verblasste oder gestrichene Textstellen bzw. Wörter auf. In den letzten 75 Jahren wurde vornehmlich „multispectral imaging“ zur Entschlüsselung überdeckter Textstellen verwendet, was jedoch „prohibitively expensive“ ist und daher nicht als alltägliches Entschlüsselungstool Verwendung findet (Havens 2011: 1). Eine kostengünstigere Variante ist der Einsatz von ultraviolettem Licht, entsprechende Filter für Kameralinsen „can be found for around $10“ (Havens 2011: 1 f.). Allerdings erlauben es viele Archive nicht, Fotos von den gewünschten Materialien mit den entsprechenden Kameras zu schießen und stellen auch keine derartigen Fotos zur Verfügung (vgl. Havens 2011: 2). Hilary Havens hat eine kostengünstige, alltagstaugliche Methode zur Lesbarmachung und Rekonstruktion dieser Textstellen entwickelt, mit deren Hilfe fast alle überschriebenen bzw. verdeckten Textstellen bei der Edition The Court Journals and Letters of Frances Burney lesbar gemacht werden konnten (Havens 2011: 1).
Dabei benutzt Havens Adobe Photoshop und führt die folgenden Schritte aus: Zuerst werden die Farbwerte verändert, um den Kontrast zwischen der Streichung und dem darunter liegenden Wort zu betonen. Anschließend fügt sie Ebenen in Photoshop hinzu und löscht mit einem entsprechenden Löschwerkzeug die Streichungen. Der Einsatz von Filtern „that may sharpen or clarify some aspects“ erleichtert die Arbeit (Havens 2011: 3). In einem weiter Schritt wird durch eine zusätzlich Ebene die Restaurationsarbeit des Bearbeiters von der originalen Textstelle getrennt, „which allows for easy recovery of the original if a mistake is made during the process“ (Havens 2011: 3). Iterativ werden nun immer wieder die Streichungen gelöscht, die offensichtlich das orignale Wort verdecken. Mit Hilfe der Brightness/Contrast – Einstellung lässt sich schließlich das wiederhergestelle Wort optisch in den originalen Hintergrund einbetten (vgl. Havens 2011: 3). Havens stellt Screenshopts von der Arbeit mit ihrer Technik zur Verfügung (siehe Havens 2011: 3-18).

Havens, Hilary, Adobe Photoshop and Eighteenth-Century Manuscripts: A New Approach to Digital Paleography, in: Digital Humanities Quarterly, Jg. 8, Nr. 4/2014, online:http://www.digitalhumanities.org/dhq/vol/8/4/000187/000187.html [06.09.2015].

Homepage des Projekts HyperImage: http://uni-lueneburg.de/hyperimage/hyperimage/index.htm [06.09.2015].

Kohle, Hubertus, Digitale Bildwissenschaft, Glückstadt 2013, online: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2013/2185 [06.09.2015].

Reddy, Sravana and Kevin Knight, What We Know About the Voynich Manuscript, Proc. ACL Workshop on Language Technology for Cultural Heritage, Social Sciences, and Humanities (LaTeCH 2011), 2011, online: http://www.isi.edu/natural-language/people/voynich-11.pdf [06.09.2015].

Emmerich, Robert, Keilschrift: Tontafeln am Computer rekonstruiert, in: idw - Informationsdienst Wissenschaft, 12. Februar 2015, online: https://idw-online.de/de/news624671 [06.09.2015].

Goltz, D. M. et al., Enhancement of Faint Text Using Visible (420-720 nm) Multispectral Imaging, Restaurator 28 (2007), S. 11-28.

Hermes, Jürgen, Textprozessierung. Design und Applikation, (überarb. Univ. Diss. Köln, 2011) 2012, online: http://kups.ub.uni-koeln.de/4561 [03.08.2015].

Informationen und Beispiele zur Kryptologie, online: http://www.cryptool-online.org/ [03.08.2015].

Muir, Bernhard J., Innovations in Analyzing Manuscript Images and Using them in Digital Scholarly Publications, in: Kodikologie und Paläographie im digitalen Zeitalter, hrsg. v. Rehbein, Malte; Sahle, Patrick; Schaßan, Torston, (Schriften des Instituts für Dokumentologie und Editorik, 2), Norderstedt 2009, S. 135-145, online:http://kups.ub.uni-koeln.de/2966/ [07.09.2015].