Voynich-Manuskript
Gegenstandsbeschreibung
(Autor: Wolfgang Bruckner, 30.09.2015)
Das Voynich-Manuskript ist eines der großen Rätsel der Kryptologie. Es handelt sich dabei um ein bis heute unentschlüsseltes Manuskript voller schriftähnlicher Zeichen und obskurer Bilder. Benannt wurde es nach Wilfrid Voynich, einem polnischstämmigen amerikanischen Archivar. Nach eigenen Angaben fand Voynich das Manuskript in der Villa Mondragone nahe Rom, wo Jesuiten ihre Bücherbestände aufbewahrten. Nach seinem Tod vererbte er das Manuskript seiner Frau Ethel und seiner Sekretärin Anne Nill. Nach dem Tod von Ethel Voynich verkaufte es Nill an den Buchhändler Hans Peter Kraus, der es schließlich der Yale University überließ (vgl. Hermes 2012: 79). Seit 1969 befindet es sich dort unter Katalognummer MS 408 im Bestand der Beinecke Rare Book and Manuscript Library (vgl. auch die Beschreibung des Voynich-Manuskripts der Beinecke Library).
Beschreibung und Thesen zur Provenienz
Das Voynich-Manuskript besteht aus 18 Lagen bzw. 246 Pergamentseiten, wovon 225 neben teilweise großräumigen Illustrationen auch Text enthalten. Das Format entspricht mit einer Größe von ca. 22,5 x 16 cm etwa etwa DIN-A5 (14,8 x 21,0 cm) auf der Vorderseite der Blätter befindet sich eine Paginierung. Bereits die erste Seite gibt einen ersten Hinweis auf die Provenienz des Manuskripts.
Bei genauem Hinsehen entdeckt man auf der ersten Seite am unteren Rand der Seite die verblasste Unterschrift eines Jacobi von Tepenec (siehe schwarzer Kasten). Dieser war Hofapotheker am Hofe von Kaiser Rudolf II. (Evans 2005) und wohl eine Zeit lang Besitzer des Manuskripts. Durch diese Entdeckung konnte die Entstehung des Manuskripts als vor 1622 angesetzt werden, da Tepenec in diesem Jahr starb.
Ein weiterer wichtiger Hinweis für die Entstehung des Manuskripts ist ein Brief, der sich laut Wilfrid Voynich bei dem Manuskript befand. Der Brief ist an Atanasius (bzw. Athanasius) Kircher (Krafft 1977) gerichtet, einem Universalgelehrten in Rom. Kircher machte sich u. a. durch die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen einen Namen (vgl. Hermes 2012: 80). In dem Brief schreibt der Verfasser, dass Rudolf II. glaubte, Roger Bacon (1214-1292/94), ein englischer Philosoph und Franziskaner, sei der Verfasser des Manuskripts gewesen. Alle bisher angeführten Entdeckungen führten zu (teilweise spekulativen) Thesen, deren wissenschaftliche Fundierungsversuche in Station 5 ausführlicher beschrieben werden:
- Das Buch ist in einer erfundenen, unentschlüsselbaren Schrift ohne Sinn abgefasst.
- Aufbauend auf die vorherige These wird das Voynich-Manuskript als bewusste Fälschung bezeichnet.
- Der Text ist nicht verschlüsselt, sondern in einer unbekannten Sprache bzw. in einem unbekanntem Schriftsystem abgefasst.
- Es handelt sich um ein bewusst verschlüsseltes Werk. Der Schlüssel zur Dechiffrierung wurde bloß noch nicht gefunden.
Gliederung und vermeintlicher Inhalt
Das Voynich-Manuskript ist reich illustriert. Da der Text die Abbildungen umfließt, geht man davon aus, dass die Zeichnungen zuerst entstanden sind und der Text anschließend in die freien Räume eingefügt wurde.
Da die Entzifferung der Schrift des Voynich-Manuskripts bisher nicht gelungen ist, bieten die Zeichnungen bzw. Illustrationen den nächsten Anhaltspunkt zur Erschließung des Inhalts. Doch auch diese sind derart mystisch, dass man bisher über eine grobe Einteilung des Manuskripts anhand der Abbildungen nicht hinausgekommen ist.
Die Einteilungen in der Forschung weichen in ihren Bezeichnungen leicht voneinander ab. Die folgende kurze Darstellung orientiert sich an Jürgen Hermes (2012: 84 ff.):
Pflanzenkundliche bzw. botanische Sektion:
Diese umfangreichste der fünf Sektionen enthält zwar eindeutig Pflanzenabbildungen, um welche Pflanzen es sich dabei handeln könnte, bleibt jedoch größtenteils rätselhaft.
Ein Beispiel für botanische Sektion ist nebenstehende Bild auf dem man einen baumartigen Stamm mit verschränkten, tentakelartiken Wurzeln und mehreren verzweigten Ästen mit verformten Blättern und einem Zweig voller gepunkteter, länglicher Knospen erkennen kann
Balneologische bzw. biologische bzw. anatomische Sektion:
Dies ist der wohl rätselhafteste Teil des Manuskripts. Die Abbildungen zeigen eine große Anzahl nackter, weiblicher Figuren mit teilweise gewölbten Bäuchen, die in Wannen bzw. Becken alleine oder in Gruppen sitzen oder stehen. Diese Becken haben wiederum sonderbare Formen und sind durch Schläuche, Kanäle und Rohrsysteme miteinander verbunden. Das nachfolgende Beispiel für die balneologische Sektion zeigt kleine, nackte Frauenfiguren, teilweise mit Krone bekränzt. Zwei der Frauen baden in einem kleinen Becken, andere stehen in trichterartigen, mit blauer Flüssigkeit gefüllten Becken, andere, am oberen Rand der Seite, scheinen zu posieren.
Sterne-Sektion bzw. Sektion mit kontinuierlichem Text:
Die Seiten in dieser Sektion sind mit Text vollgeschrieben. Die Abbildungen kleiner Sterne an den linken Rändern wirken wie Verzierungen. Das Beispiel für Sternensektion zeigt eine stark beschriebene Seite mit kleinen Sternen am linken Rand
Pharmazeutische Sektion:
Diese Sektion ähnelt der botanischen Sektion. Auch hier dominieren Abbildungen von Pflanzen. Allerdings sind diese kleiner und teilweise gruppiert. Außerdem enthält die pharmazeutische Sektion zahlreiche Abbildungen muschelartig geformter Gefäße. Mehrfach ausklappbare Seite voller bunter Wurzeln, kleiner Pflanzen und verzierter Gefäße
Astronomische bzw. astrologische bzw. kosmologische Sektion:
Diese Sektion besteht aus großen ausklappbaren Abbildungen. Sie zeigen konzentrische Kreise, Sterne, Frauen, Himmelskörper und Tierkreiszeichen. Das Bild zeigt eine ausklappbare Seite. Links: Sternkreiszeichen, in der Mitte eine Sonne mit Gesicht, rechts: Sternkreiszeichen mit Stern in der Mitte, der an einen Seestern erinnert, um ihn herum zwölf kleine Gesichter mit verschiedenfarbigen Halbmonden.
Die Schrift
Die Schrift des Voynich-Manuskripts gleicht in vielen Aspekten Schriften natürlicher Sprachen. Wie in Schriften natürlicher Sprachen kommen manche Buchstaben deutlich häufiger vor als andere. Vergleichbar mit Vokalen tauchen manche Buchstabe in fast jedem Wort auf. Man erkennt charakteristische Buchstabenpaare und Zeichen, die fast ausschließlich am Satzanfang vorkommen und solche, welche Wörter häufig abschließen. Prinzipiell folgt die Wortfrequenz wie in natürlichen Sprachen dem Zipfschen Gesetz. Das Zipfsche Gesetz beschreibt, mit welcher Häufigkeit Wörter in einem Text natürlicher Sprache vorkommen. Betrachtet man die Schrift des Voynich-Manuskripts, fällt auf, dass es keine Streichungen oder Anfügungen bzw. Ergänzungen gibt. Eine Abweichung zu Schriften natürlicher Sprachen ist die Länge der Wörter. Sie beträgt ausschließlich drei bis zehn Buchstaben. Unüblich ist auch, dass im Voynich-Manuskript Wörter öfter unmittelbar hintereinander vorkommen, welche identisch sind oder sich nur durch den letzten Buchstaben unterscheiden.
Dambeck, Holger, Voynich-Manuskript könnte echte Botschaft enthalten, in: Spiegel Online, 24. Juni 2013, online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/mysterioeses-buch-voynich-manuskript-koennte-botschaft-enthalten-a-907556.html [03.08.2015].
Dambeck, Holger, Voynich-Manuskript: Physiker hält mysteriöse Mittelalter-Schrift für Schabernack, in: Spiegel Online, 17. April 2007, online:http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/voynich-manuskript-physiker-haelt-mysterioese-mittelalter-schrift-fuer-schabernack-a-477633.html [03.08.2015].
Evans, Robert J. W., Rudolf II. in: NDB, Bd. 22 (2005), S. 169-171, online: http://www.deutsche-biographie.de/ppn118603701.html [03.08.2015].
Hermes, Jürgen, Textprozessierung. Design und Applikation, (überarb. Univ. Diss. Köln, 2011) 2012, online: http://kups.ub.uni-koeln.de/4561 [03.08.2015].
Jüngling, Thomas, Diese Geheimschrift lässt Kryptologen verzweifeln, in: Die Welt, 3. Dezember 2011, online: http://www.welt.de/wissenschaft/article13746896/Diese-Geheimschrift-laesst-Kryptologen-verzweifeln.html [03.08.2015].
Krafft, Fritz, »Kircher, Athanasius« in: NDB Bd. 11 (1977), S. 641-645, online: http://www.deutsche-biographie.de/sfz41067.html [03.08.2015]
Schmeh, Klaus, Ist das Voynich-Manuskript (schon wieder) gelöst?, in: ScienceBlogs, 22. Februar 2014, online: http://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/2014/02/22/ist-das-voynich-manuskript-schon-wieder-geloest [03.08.2015].
Schulze, Roland, ÆqµXẄðD???, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, Heft 17/2013, online: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39859/QX7812D [03.08.2015].
Bericht über Voynich-Manuskript auf ARTE, online: http://www.arte.tv/de/Das-Voynich-Manuskript-/4301052.html [03.08.2015].
Image-Digitalisat des Voynich-Manuskripts, online: http://brbl-dl.library.yale.edu/vufind/Record/3519597 [03.08.2015].
Weitere Digitalisat des Voynich-Manuskripts: https://archive.org/details/TheVoynichManuscript [03.08.2015].