Station 2

Rechtliche Perspektiven auf Die Digital Humanities

(Autor: Matthias Schneider, 30.09.2015)

Die Bandbreite rechtlicher Fragen ist im Umfeld der Digitalen Geisteswissenschaften weit gefächert. Sie reicht von der häufig komplexen Aufarbeitung von Urheberrechtsansprüchen im Vorfeld von Digitalisierungsvorhaben über die Auswahl passender Lizenzen für eigene Online-/Offline-Texte und sonstige Publikationen bis hin zu rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Langzeitarchivierung und dem nachhaltigen Zugänglichmachen von Informationen. Weitere Rechtsbereiche können hinzukommen, so etwa Persönlichkeitsrechte bei biographischen Studien oder der Auswertung großer Datenmengen (big data). Das derzeit für die meisten Vorhaben bedeutendste Rechtsfeld Urheberrecht wird in dieser Station umrissen.

Exemplarischer Copyright-Hinweis

Visualisierung Urheberrechtshinweis (Wikimedia Commons, Public domain).

Das deutsche Urheberrecht

Mit dem Urheberrecht schützt der Staat die Verfasser/Urheber von literarischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Werken in ihren persönlichen Beziehungen zum jeweiligen Werk sowie in ökonomischen Belangen (§1, UrhG).

Das Urheberrecht erwirbt jeder, der ein Werk, das eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht und eine Individualität aufweist, erstellt. Im deutschen Urheberrecht entsteht automatisch ein Recht am Werk, ohne dass man diesen Anspruch explizit kenntlich machen oder eine Anmeldung erfolgen muss (Hartmann 2014: 20). Hierbei sind zwei Arten von Recht zu unterscheiden: das Urheberpersönlichkeitsrecht und die Verwertungs- oder Nutzungsrechte. Das Urheberpersönlichkeitsrecht (das Recht der Entscheidung, wie und ob ein Werk veröffentlicht wird, das Recht auf Anerkennung als Urheber und das Recht auf Schutz vor Entstellung eines Werkes) kann nicht entäußert werden (Hartmann 2014: 27).

Die verschiedenen Nutzungsrechte (z.B. das Recht zur Aufführung oder das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung) können vermarktet, kostenfrei abgegeben und sogar vererbt werden. Die Übertragung dieser Rechte kann mündlich wie schriftlich erfolgen. Beispiele hierfür sind Verträge zwischen Autoren und Verlagen, in denen etwa geregelt werden kann, dass der Verlag berechtigt ist, das Buch des Autoren weltweit zu vermarkten, sich der Autor jedoch das Recht vorbehält, Übersetzungen selbst zu überprüfen oder die eBook-Version seines Textes selbst herzustellen. Neben diesem Modell eingeschränkter Rechtsübertragung ist auch denkbar, dass Autoren sämtliche veräußerbaren Rechte an einen Verlag abtreten oder - auf der anderen Seite des Spektrums - lediglich das Recht zur Publikation des Textes in einem Land zu vereinbarten Bedingungen lizensiert wird.

Verschiedene Nutzungsarten sind grundsätzlich lizenzfrei, d.h. sie bedürfen keiner (ggf. kostenpflichtigen) Genehmigung durch den Autor. Der Konsum eines Werkes (z.B. das Anschauen eines Gemäldes) ist beispielsweise ebenso urheberrechtsfrei wie das Zitieren von Textabschnitten, sofern diese ein gewisses Maß nicht überschreiten (Hartmann 2014: 68-86).

 

Geltungsdauer des Urheberrechts  

Eine sich häufig stellende Frage lautet: Ein Autor ist schon vor einiger Zeit gestorben. Darf man seine Texte digitalisieren und ins Netz stellen? Oder verletzt man hierdurch die Rechte Dritter?

Im Grundsatz gilt: Das Urheberrecht gilt ab dem Zeitpunkt, zu dem das betreffende Werk geschaffen wurde, bis zum Tod des Urhebers plus 70 Jahre. Ein Beispiel:

Der deutsche Dramatiker Carl Zuckmayer lebte von 1896-1977. Neben anderen bekannten Werken hat er den Hauptmann von Köpenick (1931), Des Teufels General (1945) und Der Rattenfänger (1975) geschrieben. Für die Dauer des urheberrechtlichen Schutzes gilt:

Hauptmann von Köpenick 1931-2047
Des Teufels General 1945-2047
Der Rattenfänger 1975-2047

 

Nachdem der Autor im Jahre 2047 seit 70 Jahren verstorben sein wird, wird es möglich sein, seine Texte ohne urheberrechtliche Hürden nutzen zu können; z.B. in Form von Digitalisierung, der Zusammenstellung von einzelnen Akten aus verschiedenen Dramen zu einem Reader u.ä.m. Haben mehrere Autoren gemeinsam ein Werk verfasst, erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Urhebers.

 

Porträt Carl Zuckmayer Bundesarchiv

Porträt Carl Zuckmayer, 1920 (Bundesarchiv, Bild 146-2005-0008, CC BY-SA 3.0 de).


Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), zuletzt geändert am 05.12.2014, online: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/urhg/gesamt.pdf [09.07.2015].

Für einen Überblick: Hahn, Helene et al., DH-Handbuch, Kapitel »Alles was Recht ist: Urheberrecht und Lizenzierung von Forschungsdaten?«, online: https://osl.tib.eu/w/DH-Handbuch/Lizenzen [21.08.2015].

Hartmann, Thomas: Urheberrecht in der Bildungspraxis. Leitfaden für Lehrende und Bildungseinrichtungen, (Perspektive Praxis, o.Nr.), Bielefeld 2014.

 

Exemplarischer Bericht über einen Streit um die Geltungsdauer des urheberrechtlichen Schutzes:

Gierow, Hauke: Stadt Mannheim verklagt Wikimedia – Gemeinfreie Werke, 24. November 2015, in: Golem.de, online: http://www.golem.de/news/gemeinfreie-werke-stadt-mannheim-verklagt-wiki… [24.11.2015].