Die Regesta Imperii als Projekt der Digitalen Edition
Fallstudie
Als anschauliches Beispiel für eine digitale Edition, die ursprünglich für den Druck konzipiert wurde, können die Regesta Imperii dienen. Dieses traditionsreiche Projekt hat die Mittelalterforschung im deutschen Sprachraum über mehr als 150 Jahre hinweg begleitet und geprägt. Gleichzeitig adaptierten die Bearbeiter auch digitale Technologien und formten so schließlich die Regesta Imperii Online. Diese wurden nicht nur im Verbund mit ihrer Literaturdatenbank zu einem unverzichtbaren Werkzeug für die moderne Mittelalterforschung auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches, sondern bilden heute vielfach Ausgangspunkt und Datengrundlage für neue digitale Pilotprojekte.
(Autor: Daniel Schneider, 02.05.2019)
Was ist ein Regest?
Regesten geben Urkunden oder andere schriftliche Zeugnisse in Kurzform wieder. Hierbei wird nicht nur der Inhalt zusammengefasst, sondern auch alle relevanten Informationen zu Aussteller, Empfänger, sowie Entstehungsdatum und -ort. Der Begriff leitet sich von regestum (lat.: Eintrag; im Plural regesta – lat.: Verzeichnis) ab, was auf diese Praxis verweist.
Regesten wurden schon im Mittelalter genutzt: Zum einen verwendeten Kanzleien diese Form, um über ausgestellte Urkunden und ihre Inhalte Buch zu führen. Zum anderen wurde die platzsparende Notationsform auch von Empfängern genutzt: In sogenannte Kopialbücher wurden die Inhalte aller erhaltenen Urkunden knapp zusammengefasst. Durch diese Abschriften mussten nicht mehr stets die Originale gesichtet werden, was letztere schonte, zugleich aber wurde bei etwaigem Verlust ihr Rechtsinhalt bewahrt. Später nutzten Archivare ähnliche Techniken, um gelagerte Schriftstücke aufzulisten und übersichtlich darzustellen.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts verwenden auch Historiker diese Technik: Regesten werden in der Regel von einem geschlossenen Bestand erstellt (z. B. die Urkunden eines Herrschers, einer Institution oder die Urkunden eines Archivs). Zumeist werden sie chronologisch geordnet. Dies schafft nicht nur eine nachvollziehbare Ordnung, sondern hilft vor allem bei Königs- und Kaiserurkunden, den Reiseweg des Herrschers (auch Itinerar genannt) nachzuvollziehen. Dies ist wichtig, da bis in das späte Mittelalter nicht von einer Residenz aus regiert wurde. Nur wo Herrscher Präsenz zeigten, konnten sie ihre Macht ausüben, sodass sie ständig reisen mussten, um in ihrem gesamten Reich regieren zu können.
Ein Regest bietet den Lesern neben der Nennung von Aussteller und Empfänger sowie Ort und Datum auch eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes. In dieser werden oft relevante Passagen (wie der Rechtsinhalt) im Wortlaut übernommen, während weniger wichtige Abschnitte (wie die oft floskelhaften Anrufungsformeln und Strafandrohungen) gekürzt oder gänzlich weggelassen werden. Zusätzlich werden auch der Aufbewahrungsort des Originals, etwaige Abschriften und Editionen genannt. Zusätzliche Informationen wie wichtige Literaturhinweise zur behandelten Quelle können das Regest ergänzen.
Was sind die »Regesta Imperii«
Eines der langlebigsten und umfangreichsten Regestenwerke in der deutschen Geschichtsforschung stellen die »Regesta Imperii« dar (lat.: Regesten des Reiches, kurz: RI). In dieser Reihe wurden und werden die urkundlichen Quellen (lat. diplomata) zum Wirken der fränkischen bzw. römisch-deutschen Könige und Kaiser von den Karolingern (ab ca. 750) bis zum Tode Maximilians I. (1519) sowie der Päpste des frühen und hohen Mittelalters gesammelt und in Kurzform wiedergegeben.
Als Johann Friedrich Böhmer 1829 mit der Sammlung begann, war sie noch als Hilfsmittel innerhalb des großen Editionsvorhabens der »Monumenta Germaniae Historica« (kurz: MGH) und Vorarbeit für eine Volledition aller Urkunden geplant. Im ersten erschienen Band formulierte Böhmer das Ziel des später »Regesta Imperii« genannten Projektes:
»Das vollständige Diplomatarium der zur allgemeinen Geschichte gehörigen Urkunden wird die dritte Abteilung der Monumenta Germaniae historica medii aevi bilden, woran ich unter Pertzens Leitung mitarbeiten werde. Das hierbei zu verfolgende Ziel ist: Möglichst vollständige Wiederherstellung des in dem deutschen Reichsarchiv dereinst vorhanden gewesenen Registrum Imperii, d.h. derjenigen Bücher, welche sämtliche Urkunden und Ausschreiben der Regenten nach der Zeitfolge der Ausfertigung enthielten.« (Böhmer 1831, VIII).
Böhmer nahm damals an, die Kanzlei der deutschen Könige und Kaiser habe kontinuierlich ein solches Reichsregister (lat. Registrum Imperii) geführt und es sei bedauerlicherweise über die Jahrhunderte verloren gegangen. Allerdings war die geplante Rekonstruktion nicht möglich, da von einer kontinuierlichen Registerführung im Mittelalter nur vereinzelt die Rede sein kann und deshalb auch nie ein vollständiges Register existiert hatte.
Im Zuge dieses Projektes sammelten die Bearbeiter viel Erfahrung im Bereich der Edition und entwickelten die Techniken und Methoden der Regestenerstellung weiter. Viele der damals entwickelten Regesten-Techniken werden heute fast unverändert weiter verwendet, auch wenn sich vor allem optische Gestaltung und Umfang teils stark veränderten.
Durch das wachsende Interesse des fachwissenschaftlichen Publikums trat das Regestenwerk bald verstärkt als eigenständige Publikationsreihe in Erscheinung und gewann zahlreiche Mitarbeiter im gesamten deutschen Sprachraum. Dies führte zum Bruch zwischen den Monumenta Germaniae Historica und Böhmer.
Nach dem Tode Böhmers 1863 gestaltete sein Nachlassverwalter Julius Ficker das Projekt unter Beibehaltung des seit 1839 verwandten Namens »Regesta Imperii« neu. Er erstellte mehrere Ergänzungsbände aus den von Böhmer hinterlassenen Notizen und setzte mit seinen Schülern die Arbeit seines Vorgängers fort. Ficker wandte sich vom Ziel der Rekonstruktion des Reichsregisters ab und konzentrierte sich methodisch stärker auf die wissenschaftliche Urkundenlehre (Diplomatik). Nicht nur Urkunden wurden einbezogen, sondern jede Quelle, die Aufschluss über die Tätigkeiten der Kaiser und Könige gab, und wegen der engen Verflechtung auch vielfach solche, die die Aktivitäten der Päpste betrafen.
Ab 1906 übernahm die Historische Kommission der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien die Organisation und Finanzierung des Projektes. Bis dahin war es vor allem durch anderweitige Tätigkeiten der Mitarbeiter und den Nachlass Böhmers finanziert worden. Zu dieser Zeit setze eine Grundsatzdiskussion angesichts der großen Menge an spätmittelalterlichen Urkunden ein: Wie nahe am Originaltext konnten Regesten sein? Wie konnte die schiere Menge bewältigt werden, ohne dass die Regesten an Qualität einbüßten? Wie konnte man neben den historischen auch den philologischen und juristischen Forschungen gerecht werden? Wie konnten trotz der hohen Anforderungen kurze und übersichtliche Regesten gestaltet werden? Sollten auch die Urkunden westfränkisch-französischer und burgundischer Herrscher einbezogen werden? Sollten nur Urkunden das Regnum teutonicum (das deutsche Königreich) betreffend oder auch zum Regnum Italia und dem gesamtfränkischen Reich aufgenommen werden?
Die Weltkriege, die Inflation und das Ausbleiben staatlicher Unterstützung erschwerten die Arbeit zusätzlich. Auch die 1939 gegründete Kommission für die Neubearbeitung der »Regesta Imperii« verzeichnete erst wieder in der Nachkriegszeit größere Fortschritte. Vor allem die 1967 gegründete deutsche Regestenkommission und die finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erleichterten die Fortführung des Projekts. 1978 wurde die Reihe »Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters« als Beihefte zu den »Regesta Imperii« begründet. In dieser werden seither Sammelbände und Monographien veröffentlicht, deren thematischer Schwerpunkt sich mit denen der »Regesta Imperii« decken.
1989 begann die Kooperation mit Historikern in Berlin zur Erfassung der Urkunden in der damaligen DDR, aus denen 1994 eine eigene Kommission an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften erwuchs. Mit der Aufnahme der deutschen Regestenkommission in die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz 1980 und der Aufnahme der Wiener Kommission als »Arbeitsgruppe Regesta Imperii« am Zentrum Mittelalterforschung 1998 wurde die institutionelle Zukunft des Unternehmens dauerhaft gesichert (vorerst bis 2033).
Die »Regesta Imperii Online« als Digitale Edition
Die ersten digitalisierten Editionen der »Regesta Imperii« wurden 1998 als CD-ROM begleitend zum 11. Band der Regesten Kaiser Friedrichs III. herausgegeben. Es gab mehrere gute Gründe, mit ebendiesen den Schritt zu den neuen Medien zu gehen:
Die Regesten dieses Herrschers waren wegen der Materialfülle (weit über 14.000 Urkunden!) aufgeteilt worden. Sie wurden nach Archiven geordnet, gesammelt und publiziert. Eine nachträgliche Kumulierung der Register war auf elektronischem Wege einfacher und kostengünstiger als ein kompletter Neudruck: Mit der CD-ROM wurden nicht nur die Regesten der 11 Bände, sondern auch im Druck nicht mehr erhältliche, über 150 Jahre alte Regesten geliefert. Darüber hinaus wurden die Verzeichnisse und Register vollständig überarbeitet, und die gebotenen Suchfunktionen ermöglichten eine systematische Recherche im großen Corpus, die in der gedruckten Fassung nicht möglich gewesen wäre. Inhaltlich und strukturell war die elektronische Version dennoch weitgehend parallel zur gedruckten gestaltet.
Die Digitalisierung aller bereits vorliegender Werke begann 2001 in der Mainzer Arbeitsstelle im Rahmen des DFG-Programms »Retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbeständen«. In enger Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek München wurden die gedruckten Werke gescannt und aufbereitet. In Anbetracht der Fülle an zu bearbeitendem Material und der begrenzten Projektlaufzeit und Mittel wurde die Tiefenerschließung zunächst außer Acht gelassen, da der geordneten Überführung des vorhandenen Materials ins digitale Format größere Aufmerksamkeit zukam. Ein weiteres Problem stellte die Vielzahl an Kürzungen dar. Um Platz und damit Papier zu sparen, wurden nicht nur zahlreiche Begriffe und Literaturtitel mit Kürzeln versehen, auch Zahlen wurden beispielsweise in Registern gekürzt: Registernr. 1075. 80. 1154. 73. meint etwa die Regesten Nr. 1075, 1080, 1154 und 1173. Dies gestaltete die automatische Digitalisierung der älteren Regesten schwierig und verursachte erheblichen Aufwand.
Die 2002 geschaffene Plattform der »Regesta Imperii Online« bietet inzwischen die digitalen Regesten sowohl in der Darstellung im Browser, als auch als XML-Dateien (entsprechend der 2004 festgelegten internationalen Standards zur Auszeichnung vormoderner Urkunden, dem sogenannten CEI-Standard) für den Import und die Weiterverarbeitung. Neben dem digitalen Regest bietet das Portal auch Zugriff auf ein Digitalisat der betreffenden Seite im gedruckten Buch.
Besonders der Suchfunktion wurde viel Aufmerksamkeit gewidmet, um Nutzern mit unterschiedlichen Interessen gleichermaßen nützliche Findmittel zu bieten. Zum einen gibt es eine freie Volltextsuche, die einige Funktionen aufweist, die von der Suchmaschine Google bekannt sind (z. B. Trunkierung: Der Suchbegriff »Landfrieden*« bietet Ergebnisse für »Landfrieden« ebenso wie für »Landfriedensbuch« oder »Landfriedensbestimmungen«). Darüber hinaus erlaubt die Expertensuche die Anwendung mehrerer Filter zur Eingrenzung der Ergebnisse (Einschränkung auf einen Bestand, Abteilung, Band und sogar eine Regestennummer der »Regesta Imperii«, Eingrenzung des Ausstellungszeitraumes und der Bereiche, in denen der Suchbegriff vorkommen soll). Die Suchergebnisse können nach Datum, Herrschername und Regestennummer geordnet angezeigt werden, jeweils auf- oder absteigend.
Das kumulierte Register des Projektes wird fortlaufend gepflegt. Angaben zu Orten und Personen wurden bespielsweise mittels der Normdaten-Codierung der GND (Gemeinsame Normdatei) referenziert. So können eindeutige Zuordnungen erfolgen, die auch für andere Datenbanken (Archive, Museen, Bibliotheken, etc.) Gültigkeit besitzen. Unabhängig von variierenden Schreibweisen eines Namens können diese in der Suchfunktion einwandfrei aufgefunden werden (Päpste finden sich z. B. nicht nur unter dem bei Amtseinführung gewählten Papstnamen, sondern auch unter ihrem Taufnamen. Beide Varianten können mithilfe von Normdaten auf die gleiche Person zusammengeführt werden). Die weitere Vernetzung mit anderen Projekten (bspw. der Allgemeinen Deutschen Biographie/Neuen Deutschen Biographie) ist damit erheblich vereinfacht worden.
Die Plattform »RI Plus« wurde geschaffen, um die Datenbank um Regestenwerke zu erweitern, die nicht in der Publikationsreihe der »Regesta Imperii« erschienen sind. Neben bisher unpubliziertem Material der Königs- und Kaiserregesten werden hier auch Regesten anderer Herrschaftsträger im Heiligen Römischen Reich aufgenommen, die teils im Druck kaum noch erhältlich sind. Beispielsweise wurden die Regesten der Pfalzgrafen bei Rhein, der Erzbischöfe von Mainz, der Markgrafen von Baden und der Bischöfe und des Domkapitels von Augsburg eingeschlossen. Die »RI Plus« sollen kleineren Regestenprojekten die Möglichkeit geben, ihre Arbeit in einem größeren Editionsprojekt zur Verfügung zu stellen. Sämtliche Inhalte der »RI Plus« können gemeinsam mit denen der »Regesta Imperii« durchsucht werden. Seit 2014 sind sämtliche Projektdaten der »Regesta Imperii Online« mit einer einheitlichen Lizenz versehen (Creative Commons BY 4.0).
Nicht nur die Recherche wird durch die »Regesta Imperii Online« vereinfacht. Die neueren Bände können von vornherein digital konzipiert werden. Dies spart nicht nur die spätere Retrodigitalisierung, sondern kommt auch der Qualität der gedruckten Editionen zu Gute. Die dezentral gesammelten Regesten stehen schon in der Bearbeitungsphase auch Mitarbeitern in anderen Arbeitsstellen zur Verfügung. Dies vereinfacht nicht nur die Zusammenarbeit, sondern erspart auch viel Zeit bei Nachbearbeitung und Vereinheitlichung. Ebenso sind Indizes und Register wesentlich schneller zu erstellen. Auch die Vorteile für die Benutzer liegen auf der Hand: Quantitative Analysen sind nun wesentlich schneller durchführbar. Bedurften sie in gedruckten Werken noch langwieriger Vorarbeit, ist die gleiche Liste nun durch Nutzung von Filter- und Suchfunktionen zeitsparend und gleichermaßen vollständig erstellt. Bevorzugte Aufenthaltsorte von Herrschern, die Empfänger der Urkunden und die häufigsten Inhalte lassen sich so einfacher denn je feststellen. Die Volltextsuche ermöglicht es auch Begriffe zu finden, die nicht in Registern und Indizes auftauchen. Um vergleichbare Ergebnisse mit gedruckten Werken zu erzielen, müsste die Zeit aufgewandt werden, sämtliche zu untersuchenden Regesten zu lesen.Vor allem die Verlinkung anderer relevanter Internetressourcen, wie Abbildungen der Originalurkunde oder anderer Editionen, eröffnet neue Möglichkeiten. Zum Beispiel können Benutzer die Übereinstimmung von digitaler Edition, (digitalisierter) Druckversion und der Abbildung des Originals prüfen. Gefundene Fehler oder Nachträge zur relevanten Literatur können durch ein Webformular angemerkt werden, das Kommentare an die Bearbeiter übermittelt (vgl. Kuczera 2005: 3 f.).
Eng verzahnt mit der Regestendatenbank ist der »Regesta Imperii Opac«, der nicht nur die für die Regestenarbeit relevante Literatur verzeichnet. Abseits seiner Bedeutung für die »Regesta Imperii Online« selbst, hat er sich zu einer wichtigen Fachbibliographie der Mediävistik mit über 1,8 Mio. Titeln entwickelt, in der auch eine große Auswahl fremdsprachiger Titel sowie unselbstständige Artikel (aus Zeitschriften und Sammelbänden) erfasst und verschlagwortet sind. Durch ständige Pflege ist diese Datenbank stets auf dem neuesten Stand und zum unverzichtbaren Hilfsmittel für die Mediävistik geworden.
Dies bringt natürlich neue Aufgaben mit sich: Beispielsweise sind inzwischen viele Urkunden (häufig auch von anderer Seite) digitalisiert worden, aber dennoch erfordert ihre sachgemäße Einbindung in das Projekt und das Versehen mit Metadaten nach einheitlichem Standard einige Zeit und sowohl fachliche als auch technische Kenntnisse. Ebenso muss die Literaturdatenbank des »Regesta Imperii Opac« mit den an sie gerichteten technischen Anforderungen (bspw. Export von Datensätze in Literaturverwaltungssysteme) Schritt zu halten, ohne dass die fortlaufende Literaturerfassung darunter leidet.
Nicht zuletzt bieten die »Regest Imperii Online« ihren Anwendern zwei Vorteile, die die gedruckten Editionen aufgrund ihrer Herstellungsweise nie bieten könnten: Zum einen sind die digitalen Regesten wesentlich früher verfügbar, da sie während der Bearbeitung schon einsehbar sind und nicht auf die oft Jahre später erfolgende Drucklegung warten müssen. Zum anderen ist die Benutzung der »Regesta Imperii Online« vollkommen kostenlos, während der Preis einzelner Bände im Druck bis zu 100 Euro und mehr betragen kann.
Beispiele für die Nutzung der »Regesta Imperii Online«
Ein Projekt zur geographischen Visualisierung der »Regesta Imperii« war 2015 das Ergebnis des Coding da Vinci – Kulturhackathons. Das Imperii-Viz Projekt nutzte bei diesem Programmiererwettbewerb die Datengrundlage der »Regesta Imperii Online«, um eine eigene App zu erstellen. In dieser waren die Datensätze mit weiteren Informationen verbunden worden: Zum einen wurden relevante Texte der Wikipedia und Bilder von Wikimedia Commons mit den Datensätzen verlinkt. Zum anderen kann der geographische Schwerpunkt der Herrschaft der Könige mittels Heat-Maps angezeigt werden.
Diese App lieferte einerseits eine alternative Möglichkeit zur Präsentation des Materials, die vor allem für Laien einfacher zugänglich und interessanter ist als die klassische auf wissenschaftliche Nutzung ausgelegte Form. Andererseits machte das Projekt auf neue Herausforderungen aufmerksam, vor denen die »Regesta Imperii« derzeit stehen, wie den Umgang mit Big Data.
Graphdatenbanken/Netzwerkforschung
Eindrucksvoll lassen sich die Möglichkeiten, die die digitalen »Regesta Imperii« bieten, auch am Beispiel der Netzwerkforschung zeigen. Diese könnten in Zukunft eine gute Alternative zu den weit verbreiteten relationalen Datensätzen bilden, die auch ohne Kenntnis der Tabellenstruktur noch nutzbar ist. Graphbasierte Datenbanken ermöglichen die Verknüpfung von einzelnen Daten (Organisation, Person, Ort oder Datum) durch Nodes (Knoten), dargestellt durch Kreise. Darüber hinaus ermöglichen sie es, logische Verhältnisse (Nennung im Regest, verwandtschaftliche Beziehungen, Ämter, etc...) zwischen diesen formal durch Edges (Kanten) zu beschreiben, dargestellt durch Pfeile. Diese Objekte bilden dann ein für den Nutzer logisch nachvollziehbares Informationsgeflecht, das gleichzeitig für den Computer lesbar ist.
In solchen Datenbanken können nun nicht nur Personen oder Organisationen ausgewählt und gefiltert werden, sondern auch logische Verhältnisse. Dies ermöglicht es auch, mehrere überlappende Ordnungsstrukturen zu verwenden, was in anderen Systemen problematisch ist. Hierdurch wird zum Beispiel ermöglicht, die Verwandtschaftsverhältnisse einer Person schnell und übersichtlich auswerten zu können, da jede Person gesucht werden kann, die als Sohn, Tochter, Bruder, Schwester, etc. mit ihr verknüpft wurde. Komplexere Darstellungen verlieren allerdings schnell an Übersichtlichkeit. Im Bild links wurde die Nürnberger Familie Muffel untersucht. Die Regesten, in denen Mitglieder der Familie auftauchen, sind gelb gefärbt, blaue Linien stellen Nennung in Regesten dar (weshalb auch andere Nodes wie Orte angezeigt werden), während rote Pfeile Verwandtschaftsbeziehungen darstellen.
Durch diese Form der Datenbank lassen sich somit Netzwerke nicht nur computergestützt identifizieren und dynamisch bearbeiten, sie können auch in entsprechender Form abgefragt und visualisiert werden. Weitere Vorteile gegenüber anderen Formaten bietet die Möglichkeit, multiple Hierarchien auszuzeichnen sowie problemlos Varianten eines Textes einzufügen und darzustellen.
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