Station 2

Das Skriptorium St. Matthias und ecodicology
Digitale Kodikologische Forschung in Trier

(Autorin: Hannah Busch 15.05.2016)

Seit nunmehr etwa 20 Jahren finden Initiativen zur Digitalisierung mittelalterlicher Handschriften statt. Mit dem Vorhaben der ›Virtuellen Rekonstruktion des Skriptoriums von St. Matthias liegt auch in Trier ein umfassendes Digitalisierungsprojekt vor. Als die Benediktinerabtei St. Matthias während der Säkularisierung aufgelöst wurde, galt dies auch für die Klosterbibliothek. Eine glückliche Fügung führte dazu, dass jedoch der größte noch vorhandene Bestand an Büchern der Abtei in Trier verblieb und in die städtische Zentralbibliothek – heute Stadtbibliothek Trier (Abteilung Weberbach) – überführt wurde. Die Bücher für den liturgischen Gebrauch blieben zunächst in der neugegründeten Abtei St. Matthias. Ein großer Teil dieser Bücher gelangte später in die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Der Rest der Handschriftenbibliothek ist weltweit auf ungefähr 25 Standorte verteilt. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Kooperationsprojekt zwischen dem Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften/Trier Center for Digital Humanities, der Stadtbibliothek/Stadtarchiv Trier sowie der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars hatte diesen verstreuten, erhaltenen Bestand der St. Mattheiser Handschriften datenbanklich – anhand der Informationen aus älteren Handschriftenkatalogen – erfasst und durch die Digitalisierung dieser Bücher virtuell wieder zusammengeführt. Die Digitalisierung erfolgte in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Trier (Standort Weberbach), die Aufbereitung der Daten und Entwicklung des Online Portals an der Universität Trier.

Die rekonstruierte, virtuelle Bibliothek ist online für jeden an historischem Schriftgut interessierten Laien wie Wissenschaftler zugänglich. Die fast 500 digitalisierten Handschriften können somit helfen Forschungsfragen aus unterschiedlichen Disziplinen wie beispielsweise der Altphilologie, Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Theologie, Medizin, Rechtsgeschichte, Bibliotheksgeschichte und natürlich der Kodikologie nachzugehen. Zudem kann mit einer derart rekonstruierten Bibliothek das geistige Profil wichtiger Bibliothekszentren und deren Wachstum nachgezeichnet werden.

Das Projekt eCodicology versucht beispielhaft zu demonstrieren, inwiefern das Fachgebiet der Kodikologie durch Digitalisate und digitale Analysemethoden bereichert werden kann. Es ist ein Forschungsexperiment, das von 2013 bis 2016 gemeinsam von Wissenschaftlern der Universität Trier, der Technischen Universität Darmstadt und des Karlsruher Instituts für Technologie durchgeführt wurde. Ziel dieses Experimentes ist es, herauszufinden, welchen Nutzen, außer der digitalen Bereitstellung, Digitalisate der Handschriftenforschung bringen können. Ziel ist es, einzelne Elemente des Layouts automatisch zu erkennen und zu vermessen. Zu diesen Eigenschaften gehören beispielsweise die Seitengröße, der Schriftspiegel, die Zahl der Spalten und Zeilen, Bildbereiche wie Miniaturen und Schmuckbuchstaben sowie Anmerkungen im Randbereich der Seite. Die Konstruktion des Layouts kann dem Forscher neue Erkenntnisse über die Buchproduktion in mittelalterlichen Schreibstuben geben, oder gar anonyme Handschriften einer Entstehungszeit oder einem Herkunftsort zuordnen.

Um zum Beispiel herauszufinden, ob das Layout eines Buchbestandes einem bestimmten Muster folgte, lassen sich an den Digitalisaten Verfahren der Bildverarbeitung anwenden. Diese Verfahren erlauben es, einfache Layoutmerkmale aus vielen gescannten Handschriftenseiten herauszuziehen. Im Projekt eCodicology wird ausgetestet, wie sowohl die Bilddigitalisate als auch die Metadaten aus dem Virtuellen Skriptorium St. Matthias wissenschaftlich ausgewertet werden können. Diese Methoden liefern einen Eindruck davon, auf welche Weise mit den digitalisierten Beständen weitergearbeitet werden kann.