Digital Humanities
Methodischer Brückenschlag oder »feindliche Übernahme?«
Im März des Jahres 2014 fand in Passau die erste Tagung des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum (kurz DHd) statt (vgl. Meyer 2014: o. S.). Die Leitfrage der Veranstaltung griff in zahlreichen Vorträgen und Präsentationen den Streitpunkt auf, was genau die Digital Humanities eigentlich sind. Dabei wurden zwei Optionen scharf kontrastiert, nämlich ob es sich dabei um eine »feindliche Übernahme« der Computerlinguistik und einzelner Philologien handelt, die »anderen Fächern ihren Methodenkanon überstülpen«, oder ob die DH einen »methodischen Brückenschlag zwischen verschiedenen Geisteswissenschaften« darstellen (Meyer 2014: o. S.).
Patrick Sahle beispielsweise argumentierte, dass sich die Digital Humanities »mit Problemen beschäftigen, die über einzelne geisteswissenschaftliche Fächer hinausgehen«, wie grundlegende Verfahren der Texterschließung oder -edition und der Bilderkennung (Meyer 2014: o. S.). Laut Sahle können sich eigenständige DH herausbilden, »wenn sich aus den jeweiligen Herkunftsfächern […] die entsprechenden Teile herauslösen und zusammenfinden würden, die sich bereits mit IT-gestützten Methoden [befassen]« (Meyer 2014: o. S.). Er ließ allerdings offen, ob nun technisch ausgerichtete Studiengänge mit geisteswissenschaftlichen Grundlageninformationen oder umgekehrt der geisteswissenschaftlichen Forschung angehörige Studiengänge mit technischen Zusatzqualifikationen angeboten werden sollen (vgl. Meyer 2014: o. S.).
Nach Manfred Thaller sind Digital Humanities das, »was ausschließlich mittels IT an geisteswissenschaftlicher Forschung möglich ist« (Meyer 2014: o. S.). Er unterschied dabei zwischen den Fachinformatiken der einzelnen geisteswissenschaftlichen Disziplinen und den DH, da letztere von Natur aus disziplinübergreifend angelegt seien (vgl. Meyer 2014: o. S.).
Zu der Frage, wo die Digital Humanities eingeordnet werden sollen, postulierte Jörg Wettlaufer, »dass gemeinsame Fragestellungen im Mittelpunkt der DH stehen [müssen], alles andere bliebe immer noch eine eigene Fachinformatik« (Meyer 2014: o. S.). Objektiv betrachtet scheint sich »eher eine neue ‘Hilfswissenschaft‘ zu entwickeln, die nicht eindeutig einer Geisteswissenschaft zuzuordnen ist, aber eben doch grundsätzliche Verfahren und Technologien erfordert« (Meyer 2014: o. S.). Ben Kaden schlug dazu vor, die DH »als eine zusätzliche Instanz zwischen den forschenden Akteuren einerseits und den ‘Machern‘ in der IT andererseits« anzusehen (Meyer 2014: o. S.).
Insgesamt ergab die Tagung die Tendenz, dass es sich bei den Digital Humanities nicht um eine ‘feindliche Übernahme‘ handelt, sondern »dass doch eher Brücken zwischen verschiedenen Disziplinen gebaut werden« (Meyer 2014: o. S.).
Meyer, Thomas, Digital Humanities – methodischer Brückenschlag oder „feindliche Übernahme“? Chancen und Risiken der Begegnung zwischen Geisteswissenschaften und Informatik, Passau 2014, online: http://www.dhd2014.uni-passau.de + http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5384 [Stand: 27.08.2015].